Sardinen in der Dose gehören zu den beliebtesten Konserven in deutschen Supermärkten, doch beim Kauf lauern versteckte Fallen, die selbst erfahrene Verbraucher überraschen können. Was auf den ersten Blick wie ein einfacher Preisvergleich aussieht, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als komplexes Puzzle aus verschiedenen Gewichtsangaben, Füllmengen und Abtropfgewichten, die eine faire Bewertung des Preis-Leistungs-Verhältnisses nahezu unmöglich machen.
Das Verwirrspiel mit den Gewichtsangaben
Auf einer handelsüblichen Sardinendose finden sich mindestens drei verschiedene Gewichtsangaben: das Bruttogewicht, das Nettogewicht und das Abtropfgewicht. Diese scheinbar simplen Zahlen führen jedoch zu einer verbrauchertäuschenden Praxis, die rechtlich zwar oft abgesichert ist, aber dennoch irreführend wirkt.
Das Bruttogewicht umfasst die gesamte Dose inklusive Verpackung und Inhalt. Das Nettogewicht bezeichnet den kompletten Doseninhalt ohne Verpackung, also Sardinen plus Aufgussflüssigkeit. Das Abtropfgewicht hingegen gibt an, wie viel die Sardinen ohne die Flüssigkeit wiegen – theoretisch der Wert, der für Verbraucher am relevantesten sein sollte.
Wenn 125 Gramm nicht gleich 125 Gramm sind
Die Tücke liegt im Detail: Während das Nettogewicht groß und prominent auf der Vorderseite prangt, versteckt sich das Abtropfgewicht oft im Kleingedruckten auf der Rückseite oder am Rand der Dose. Ein Produkt mit 200 Gramm Nettogewicht kann tatsächlich nur 120 Gramm Sardinen enthalten, während ein anderes mit 180 Gramm Nettogewicht 140 Gramm Fisch bietet.
Besonders problematisch wird es bei Sonderangeboten. Händler bewerben häufig das Nettogewicht als Verkaufsargument, obwohl das Abtropfgewicht – und damit die tatsächliche Fischmenge – deutlich geringer ausfällt. Verbraucher, die den Kilopreis basierend auf dem beworbenen Nettogewicht berechnen, liegen oft um 30 bis 40 Prozent daneben.
Rechtliche Grauzone mit System
Die Lebensmittelinformationsverordnung schreibt vor, dass bei Lebensmitteln in Aufgussflüssigkeit sowohl das Nettogewicht als auch das Abtropfgewicht angegeben werden müssen. Allerdings gibt es keine Vorgaben zur Platzierung oder Größe der Schrift beim Abtropfgewicht. Diese Regelungslücke nutzen Hersteller geschickt aus, um ihre Produkte größer wirken zu lassen, als sie tatsächlich sind.
Hinzu kommt ein weiteres Problem: Die Messung des Abtropfgewichts ist nicht standardisiert. Während manche Hersteller die Sardinen nur kurz abtropfen lassen, entfernen andere die Flüssigkeit gründlicher. Diese unterschiedlichen Messverfahren führen dazu, dass selbst identische Füllmengen verschiedene Abtropfgewichte aufweisen können.
Die Aufgussflüssigkeit als Kostenfaktor
Öl, Tomatensauce oder Salzlake – die Aufgussflüssigkeit macht oft 30 bis 50 Prozent des Nettogewichts aus. Da diese Flüssigkeiten deutlich günstiger sind als die Sardinen selbst, haben Hersteller einen finanziellen Anreiz, den Flüssigkeitsanteil zu maximieren. Für Verbraucher bedeutet das: Sie zahlen Fischpreis für billige Füllstoffe.
Ein aufschlussreiches Beispiel: Eine Dose mit 200 Gramm Nettogewicht kostet 2,50 Euro. Das entspricht einem Kilopreis von 12,50 Euro. Enthält die Dose jedoch nur 130 Gramm Sardinen, steigt der reale Fischpreis auf über 19 Euro pro Kilogramm – ein Unterschied von mehr als 50 Prozent.
Strategien für den bewussten Einkauf
Verbraucher können sich mit einigen praktischen Tipps vor diesen Irreführungen schützen. Der wichtigste Grundsatz lautet: Immer das Abtropfgewicht als Berechnungsgrundlage verwenden, nicht das beworbene Nettogewicht. Dieses findet sich meist in kleinerer Schrift auf der Rückseite oder am Rand der Dose.
Ein weiterer hilfreicher Trick ist das Schütteln der Dose vor dem Kauf. Hört man viel Flüssigkeit schwappen, ist der Anteil der Aufgussflüssigkeit wahrscheinlich hoch. Dosen mit wenig hörbarer Flüssigkeit enthalten meist mehr Fisch im Verhältnis zur Gesamtmenge.
Beim Preisvergleich sollten Verbraucher eine einfache Rechnung anstellen: Preis geteilt durch Abtropfgewicht mal 1000 ergibt den tatsächlichen Kilopreis für die Sardinen. Nur so lassen sich verschiedene Produkte fair vergleichen.
Qualitätsmerkmale richtig deuten
Die Aufgussflüssigkeit verrät auch etwas über die Qualität der Sardinen. Hochwertige Produkte in Olivenöl haben oft einen geringeren Flüssigkeitsanteil, da die Sardinen durch schonende Verarbeitung weniger Eigenfeuchtigkeit verlieren. Produkte in Salzlake oder Tomatensauce weisen hingegen häufig höhere Flüssigkeitsanteile auf.
Die Größe der Sardinen spielt ebenfalls eine Rolle. Kleinere Fische lassen sich dichter packen, was zu einem besseren Verhältnis von Fisch zu Aufgussflüssigkeit führt. Große Sardinen hingegen lassen mehr Zwischenräume, die mit Flüssigkeit gefüllt werden müssen.
Die Zukunft der Kennzeichnung
Verbraucherschützer fordern schon lange eine Reform der Kennzeichnungspflicht. Eine einheitliche, gut sichtbare Angabe des Abtropfgewichts auf der Vorderseite der Verpackung würde den Preisvergleich erheblich erleichtern. Bislang scheiterten entsprechende Initiativen jedoch am Widerstand der Lebensmittelindustrie.
Einige progressive Hersteller haben bereits freiwillig begonnen, das Abtropfgewicht prominenter zu platzieren. Diese Transparenz sollte bei der Kaufentscheidung positiv berücksichtigt werden, da sie ein Zeichen für Verbraucherfreundlichkeit darstellt.
Die bewusste Auseinandersetzung mit diesen versteckten Marketingtricks macht nicht nur beim Sardinenkauf den Unterschied. Ähnliche Praktiken finden sich bei vielen anderen Konserven und eingelegten Produkten. Wer einmal gelernt hat, auf das Abtropfgewicht zu achten, kann seine Einkaufskosten spürbar senken und gleichzeitig bessere Qualität erhalten.
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